Hochglanzprospekt-Klanglandschaften
Überraschungen meidend spielte die Jan Garbarek Group mit Drummer Trilok Gurtu als Gastmusiker im Rahmen der «off beat Series» im Basler Stadtcasino.
Es gibt in der Jazzgeschichte nicht wenige Grössen, die im Verlaufe ihrer Karriere gleich mehrere Male eine komplette Neuorientierung ihrer Musik vollzogen haben wie beispielsweise der legendäre Jazztrompeter Miles Davis. Als eher resistent gegen solchen stilistischen Wankelmut erwies sich der norwegische Saxophonist Jan Garbarek, der, wenn man von einer kurzen experimentellen Phase um 1970 mal absieht, seit der Veröffentlichung seiner CD «Witchi-Tai-To» (1974) auf ECM seinen Musikstil kaum mehr nennenswert verändert hat. Seit jenen Tagen zählt der 1947 im norwegischen Mysen geborene Saxophonist zu den Leuchttürmen des ECM-Labels, wo er einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des Hochglanz-Klangideals dieser Plattenfirma geleistet hat. Es kann daher nicht überraschen, dass solch eine stilistische Festlegung immer mal wieder Kritiker auf den Plan ruft, die dem Musiker ewiges Wiederaufwärmen der immer gleichen abgestandenen Musiksuppe vorwerfen.
Dass dieser Vorwurf nicht ganz falsch ist, erwies sich bei einem Konzert des Saxophonisten, das im Rahmen der «off beat Series» über die Bühne des Stadtcasinos Basel ging. Mit dem gleichen messerscharfen, etwas unterkühlt wirkenden Ton wie einst auf seinen ersten ECM-Alben Mitte der 1970er stieg Garbarek mit seinem Tenorsaxophon in das erste Stück des Abends ein. Es folgte des Solisten bewährte Masche, über einen mystisch wabernden Klangteppich überblasene Flageolett-Töne und drehende Tongirlanden in einem Sumpf von extremstem Echo mit schier endlosem Sustain im Konzertsaal des Stadtcasinos kreisen zu lassen. Und wenn dann noch Pianist Rainer Brühninghaus (Garbareks Sideman der ersten Stunde) auf seinem Synthesizer mit von süsslicher Streicherseide umhüllten Pianoklängen trieftraurige Moll-Progressionen schichtete, über die der Saxophonist seine melancholischen Kantilenen zeichnete, war man angelangt in den mystischen Weiten des fernen europäischen Nordens. Abgerundet wurden diese unergründlichen Klanglandschaften noch durch singende Basslinien des Bassisten Juri Daniel wie sie einst der legendäre Soundtüftler Eberhard Weber an der Seite Garbareks auf den ersten gemeinsamen ECM-Platten legte.
Dass nun andererseits das eingangs erwähnte Urteil der Jazzkritik, Jan Garbarek koche immer die gleiche Musiksuppe, an diesem Abend nur bedingt der Wahrheit entsprach, dafür sorgte vor allem der Vierte im Bunde: der Drummer Trilok Gurtu, der als Guest zu diesem Konzert beigezogen worden war. Der 1951 in Bombay geborene, heute in Hamburg lebende Musiker ist ebenfalls ein alter Bekannter von Garbarek, hat er doch beispielsweise 1985 auf dessen Album «Song for Everyone» (natürlich auf ECM) mitgespielt.
In jenen Stücken, in denen über kernige Bassriffs knackige Rhythmen und Beats gefordert waren, kannte die kreative Spielfreude des Drummers kaum Grenzen. Und wenn dann noch Pianist Rainer Brüninghaus sich von seinem klebrigen Synthesizer lösen konnte und zum authentischeren Flügel wechselte, waren alle Vorurteile nahezu weggeblasen. Abgerundet wurde dieses Bild noch durch ein zwar ein wenig effekthascherisches, aber dennoch mit Originalität und Humor aufgeladenes längeres Solo des Drummers. Rückstürze in Hochglanzprospekt-Klanglandschaften allerdings waren wohl unvermeidlich!
Erschienen im Kulturmagazin www.imscheinwerfer.ch