Aus der Neuen Welt
Liebevoll begleitete das Sinfonieorchester Basel Charlie Chaplins Filmklassiker «The Gold Rush». Im «Dalbeloch» wiederum interpretierte das Orchester Musik aus Amerika.
Regen war angesagt an dem Abend, wo das Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Ludwig Wicki im Rahmen des Open Air Kinos OrangeCinema auf dem Basler Münsterplatz live Charlie Chaplins Stummfilmepos «The Gold Rush» begleiten sollte. Erfreulicherweise prangte dann aber an Stelle einer feuchten Wolkendecke das markante Sternbild der Cassiopeia am sternklaren Nachthimmel über dem zur Festmeile mutierten Münsterplatz. Selbst die kühle Temperatur dieses Abends schienen passend, spielt doch die Handlung von Chaplins zeitlosem Filmklassiker vorwiegend im winterlich verschneiten, eisigen Alaska der vorletzten Jahrhundertwende. Dass dann das geneigte Publikum doch noch von einem Art Gewitter heimgesucht wurde, dafür sorgte OrangeCinema, das ab der Grossleinwand einen fast dreissigminütigen Regen aus Werbung von Reisebüros, Banken, Krankenkassen und nicht weniger als fünf Automarken niedergehen liess (man wundert sich, dass es überhaupt noch so viele Autoanbieter gibt!).
Bevor der Film startete, erfuhr man noch in einem kurzen Interview mit Orchesterleiter Ludwig Wicki, wie dieser mittels eines Monitors die von Charlie Chaplin geschriebene und für das Orchester arrangierte Musik bei seinem Dirigat präzise auf die Handlung des Films abstimmt. Des Weiteren vernahm man, mit welchem Elan das Sinfonieorchester diesen Event vorbereitet habe und wie der Posaunist des Orchesters lernen musste, in einer markanten Szene des Films «besoffen» zu spielen.
Unter der enormen Leinwand in einem zum Publikum offenen grossen Zelt spielend stieg das Sinfonieorchester dann federnd ein in die dramatische Anfangsszene des Films, wo Tausende von Goldgräbern sich unter Qualen abmühen, den Chilkoot Pass über Alaskas Berge zum erhofften Eldorado zu überwinden. Mit Verve gespielt folgten anschliessend markante Sturmszenen, mit zupackendem Schwung wiederum begleitet das Orchester Tanzszenen im Saloon der benachbarten Goldstadt. Etwas schwerfällig dann allerdings die heitere Musik zum legendären Tanz mit den auf Gabeln aufgespiessten Brötchen, die den kleinen Tramp etwas müde wirken liess. Und das «besoffene» Posaunensolo mit dem betrunkenen Charlot? 0,2 Promille. Höchsten!
Am darauffolgenden Tag dann folgte ein kostenloses Konzert des Sinfonieorchesters Basel zur Saisoneröffnung 2011/2012 auf dem Letziplatz, pittoresk gelegen zwischen Bäumen auf der einen und der alten Stadtmauer des St. Alban Tals auf der anderen Seite. Wohl nicht zufällig lautete das Motto des Abends «Aus der Neuen Welt», wurde das Orchester doch von dessen seit zwei Jahren amtenden Chefdirigenten Dennis Russell Davies geleitet, der aus den USA stammt.
In seiner charmanten Ansage wies Davies darauf hin, dass er den US-Amerikanischen Dirigenten und Komponisten Leonhard Bernstein (1918-1990) gut gekannt habe, wohl mit ein Grund, dass dessen hinreissenden «Sinfonischen Tänze aus West Side Story» auf dem Programm standen. Keine leichte Aufgabe für ein so grosses Orchester, diese quirligen Stücke adäquat herüber zu bringen. Zumindest der umfängliche Perkussionsapparat und die Bläser vermochten zu überzeugen. Bei den Streichern allerdings vermisste man gelegentlich etwas das lateinamerikanische Temperament, dass für die Interpretation dieser Musik notwendig ist.
Ein unbeschränkte Ohrenfreude aber bildete die abschliessen mit dynamischer Glut gespielte Sinfonie Nr. 9 e-Moll, op. 95 «Aus der Neuen Welt» von AntonÃn Dvorák (1841-1904). Alle Liebhaber sinfonischer Musik dürfen sich jedenfalls auf eine abwechslungsreiche Saison 2011/2012 des Sinfonieorchesters Basel freuen (siehe www.sinfonieorchesterbasel.ch).
Erschienen in der Basellandschaftlichen Zeitung