Verbindung von Gepflegtheit mit Energie
Mit dem Cembalisten Robert Hill und dem erweiterten Arcadia Streichquartett aus Rumänien erlangte das 9. Festival «Les muséiques 2012» seinen Höhe- und Schlusspunkt.
Im 18. Jahrhundert war es an den Fürstenhöfen Europas üblich, zur Unterhaltung der Herrschaft berühmte Musiker einzuladen, damit diese mit ihrem Spiel beweisen konnten, wer der grössere Virtuose sei. Dies erzählte der Cembalisten Robert Hill anlässlich seines Solorecitals «L’Entretien des Muses» im Rahmen des Festivals «Les muséiques 2012» in der Stiftung Brasilea beim Dreiländereck in Basel. Des weiteren berichtete der Cembalist, das auch August der Starke, Kurfürst von Sachsen, den berühmten französischen Klavierspieler Louis Marchand eingeladen habe, um sich mit dem grossen Johann Sebastian Bach im Wettstreit zu messen. Zur vereinbarten Zeit allerdings erschien Marchand nicht - er war ohne jede Nachricht zu hinterlassen abgereist. Vermutlich hatte Marchand Bach vorher spielen hören und erkannt, dass er gegen den Thomaskantor keine Chance hatte und sich heimlich verdrückt. Anschliessend interpretierte der Robert Hill auf seinem Cembalo mit seinem silbrig glitzernden, warmen Klang Bachs Preludium und Fuge b-Moll (BWV867) aus dem Wohltemperierten Klavier. Gleich einem zart mäandrierenden Fluss bewegte sich der Interpret anschliessend auch durch Bachs Partita B-Dur (BWV 825).
«…von der Muse geküsst» lautete das Motto des diesjährigen Festivals «Les muséiques», so dass Robert Hill auch eingehender auf das Thema Musen in der französischen Cembalomusik des 17. und 18. Jahrhunderts und den Auswirkungen auf Johann Sebastian Bach einging. Mit kenntnisreichen Worten schuf der Interpret Verknüpfungen französischer Cembalisten zur Musen-Lehre des Antiken Griechenland, um sich anschliessend an das Cembalo zu setzen und deren reiche Musik mit sicherer Hand vorzutragen. Opulent mit vielen Trillern, Pralltrillern und Mordenten verziert erklang da Jean Philippe Rameaus (1683-1764) «L’Entretien des Muses» oder das mit seinen gewagten tonalen Fortschreitungen und seiner frei gestalteten Rhythmik ungemein modern klingende «Prélude non mesuré» von Louis Couperin (1626-1661). Schlichter ausgestaltet, aber nicht minder expressiv wirkten da die Stücke von Jaques Champion de Chambonnières (1602-1672) und des vermutlich in Paris ausgebildeten deutschen Komponisten Johann Caspar Ferdinand Fischer (1656-1746), der mit seiner Musik quasi der Link zu Johann Sebastian Bach bildete.
Der alljährliche Höhe- und Schlusspunkt des Festivals «Les muséiques» wird jeweils im grossen Eingangssaal des Museum Tinguely mit einem grossen Konzert gesetzt. So auch in diesem Jahr, wo das Arcadia Streichquartett aus Rumänien gemeinsam mit Gastmusikern ein Galakonzert gab. Den Auftakt machte das Quartett mit dem Streichquartett Nr. 5 des ungarischen Komponisten Béla Bartók (1881-1945). Mit einer gelungenen Verbindung von Gepflegtheit mit Energie interpretierten Ana Török (1. Violine), Răzvan Dumitru (2. Violine), Traian Boală (Viola) und Zsolt Török dieses Werk, in dem es Bartók gelungen ist, geradezu mustergültig Elemente der ungarischen Volksmusik mit der Kunstmusik zu verschmelzen. Um den Kontrabassisten Adrian Rigopulos erweitert, interpretierte das Arcadia Quartett anschliessend mit dem Bratschisten Guy Ben Ziony als Solisten das ungemein expressive «Yizkor» (in memoriam) für Viola und Streicher des israelisch-ungarischen Komponisten Ödön Pártos, ein Werk mit harmonischen Strukturen, das sich aber mit gewagter Chromatik tief in die Atonalität schraubt.
Die Überraschung des Abends aber bildeten die «Danses sacrée et profane» des französischen Komponisten Claude Debussy (1862-1918), ein Werk, das man normalerweise nur mit Harfe und grossem Orchester zu hören kriegt. Mit filigraner Zartheit und exquisiter Transparenz beleitete das erweiterte Arcadia Quartett die Harfenistin Florence Sitruk, die nebenbei bemerkt auch die künstlerischen Leiterin des Festivals «Les muséiques» ist, durch dieses ausdrucksstarke, kammermusikalische Arrangement. Nach diesem Ohrenschmaus wirkte das abschliessend gespielte Streichquintett Nr. 4 in g-Moll (KV 516) von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) fast schon ein wenig flach und banal.
Erschienen in der Basellandschaftlichen Zeitung