Blues ist relativ
«Blues Cruse» lautete das Motto am dritten Abend der AVO Session. Viel Blues war da aber nicht zu hören: Der Brite Nick Lowe bot bestes Singer-Songwriting, die US-Sängerin Mavis Staples Gospel und Soul und The Steve Miller Band spielte gerade mal zwei Stücke, die das Prädikat Blues wirklich verdienten.
Weisshaarig, mit breitrandiger Woody Allen-Brille und gemustertem Hemd stand er alleine mit seiner Gitarre auf der Bühne des Musical Theaters Basel, der englische Singer-Songwriter Nick Lowe. Der Brite eröffnete mit seinem Solo-Auftritt den dritten Abend der AVO Session und bewies eindrücklich, das er weit mehr Erwähnung als Musiker verdient den als Produzent anderer wie den Pretenders oder Elvis Costello Ende der 1970er-Jahre. Mit heller, warmer Stimme trug er rund ein Dutzend seiner Songs vor. Klug komponierte Tunes mit intelligent gedrechselten Texten erklangen da wie etwa «I Knew The Bride» oder «Peace, Love and Understanding», ein Song, der einst von Elvis Costello gecovert wurde und der sich auch auf Nick Lows letzter CD «The Old Magic» findet. Natürlich durfte da auch sein wohl bekanntester Song «Cruel To Be Kind» nicht fehlen, der es 1979 immerhin in die US-Charts geschafft hatte. Am meisten aber beeindruckte Nick Lowe mit Balladen wie etwas «House For Sale», ein mit feinfühligen Melodie-Linien gestalteter Song, der nicht zuletzt auch durch seinen sensiblen Text über Trennungsschmerz überzeugte.
Wesentlich handfester ging da der zweite Act dieses Abends zu Werke: Die US-amerikanische Blues- und Soulsängerin Mavis Staples, die sich vor allem als Mitglied der Gospel-Gesangsband The Staple Singers währen der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den 1960er-Jahren einen Namen gemacht hatte. Da war es natürlich unvermeidlich, das Mavis Staples neben Titeln wie etwa «Will The Circle Be Unbroken» oder dem Klassiker «The Weight» von The Band auch «Freedom Highway» zum Besten gab, der Staple Singers-Song, der 1965 zu einer der Hymnen der schwarzen Emanzipationsbewegung avanciere. Mit einem dreistimmigen Gospelchor und einer kraftvoll rockenden Band im Rücken, powerte Mavis Staples mit ihrer rauchig-rauhen Stimme durch ihr gut 30-minütiges Programm.
Dem Motto dieses Abends «Blues Cruise» noch am nächsten kam wohl der abschliessende Main-Act dieses Abends, The Steve Miller Band aus den USA, die mit «Further On Up The Road» und «I Just Got Back From Texas» immerhin zwei Songs spielte, denen man mit einigem Recht das Etikett Blues anheften kann; ansonsten aber dominierte bei dieser Band der Rock. Von einer druckvoll tickenden Rhythmusgruppe auf Touren gebracht, trieben zwei Gitarren und ein Keyboard geradlinig arrangierte Stücke wie «Living In The U.S.A.», «Fly Like An Eagle» oder «Keep On Rocking Me Baby» voran.
Dass Steve Miller aber auch eine sensible Seite hat, bewies er mit einem eingeschobenen Solovortrag, wo er sich selber mit der akustischen Gitarre begleitend stimmungsvoll interpretierte Songs wie «Wild Mountain Honey», «Dance Dance Dance» oder der Johnny «Guitar» Watson-Klassiker «Gangster Of Love» vortrug. Unvermeidlich aber auch «Abracadabra», einer der wohl grössten Hits, der die Band 1982 weltweit bekannt gemacht hat. Beim «Space Cowboy» schliesslich gab’s kein Halten mehr: Die Fans im Musical Theater sprangen von den Sitzen, rissen die künstlichen Kerzen von den Stuhllehnen vor ihnen und schwenkten diese durch die Luft; andere wiederum erwiesen der Steve Miller Band durch intensives Mitklatschen ihre Reverenz.
Erschienen in der Basellandschaftlichen Zeitung