Ein fulminantes Ende
Mit Acts wie der italienische Pianist Stefano Bollani, der französische Kontrabassist Renaud Garcia-Fons oder die portugiesische Fado-Sängerin Ana Moura schloss das Jazzfestival Basel 2014 mit einer grossen stilistischen Bandbreite.
«Rhapsody in Blue», «Imagine», «Romagna mia», «Something», «Vieni via con me»: Ein Musiktitel nach dem anderen wurde aus dem Publikum dem italienischen Pianisten Stefano Bollani auf der Bühne im Weindepot Basel auf dem Dreispitzgelände zugerufen; der gute Mann kam mit dem Notieren der Titel kaum nach. Bollani hatte am Ende seines Solokonzerts das Publikum dazu aufgefordert, ihm für die Zugabe zehn Musiktitel zu nennen, die er dann anschliessend mit verblüffender Souveränität spontan zu einem reichhaltigen Medley voller überraschenden Wendungen zusammenstellte. Zuvor war der Pianist aus Mailand seinem Ruf, nicht nur ein genialer Pianist, sondern auch ein begnadeter Alleinunterhalter zu sein, voll gerecht geworden. Im Unterschied zu vielen anderen europäischen Jazzpianisten wirkte sein Pianospiel wenig abgehoben und vergeistigt sonder eher zupackend, rhythmisiert, in puncto Harmonieverbindungen ‚schwarz’. Zusätzlich sprühte Bollanis Musik vor Esprit und Intelligenz, dass es fast schon unheimlich war.
Was dieses Konzert zusätzlich zu einem Event der Extraklasse machte, war die Tatsache, dass auch die Lachmuskeln voll auf ihre Kosten kamen. Meist spielte Stefano Bollani hoch konzentriert, gelegentlich aber ging sein Temperament mit im durch und er packte seinen Pianostuhl, um diesen als Schlagzeug einzusetzen, indem er in auf den Boden schlug. Mal machte sich sein linkes Bein selbständig und begann, laut den Rhythmus zu klopfen oder er rief «Schlagzeugsolo» und startete im Innern des Flügels ein wildes Schlagen und Klopfen. Am meisten zum Lachen aber reizte das unbeschreiblich komische Mienenspiel, mit dem der Pianist seine Darbietungen gelegentlich begleitete. Stefano Bollani erwies sich als Entertainer der Extraklasse.
Eine musikalische Tour rund um das Mittelmeer
Ein weiterer Höhepunkt am Ende des Jazzfestivals fand mit einem Solokonzert des französischen Kontrabassisten Renaud Garcia-Fons in der Dorfkirche Riehen statt. Garcia-Fons hat in den vergangenen Jahren am Jazzfestival Basel schon mehrmals seine ausserordentliche Kreativität unter Beweis gestellt. In bester Erinnerung ist sein Auftritt 2011, wo er im Stadtcasino Basel mit seinem Sextett die Filmmusik zum Trickfilmklassiker «Die Abenteuer des Prinzen Ahmed» von Lotte Reiniger aus den 1920er-Jahren gestaltete.
Zu seinem aktuellen Auftritt in der Dorfkirche Riehen hatte Renaud Garcia-Fons seine letzte CD «The Marcevol Concert» im Gepäck, die er 2012 in einem Kloster in den Pyrenäen eingespielt hatte. Wie auf der CD spielte der Musiker auf einem speziell seinen Bedürfnissen angepassten fünfsaitigen Bass, der ihm spezielle Spieltechniken und einzigartige Klänge ermöglicht. Zusätzlich erweiterte der Bassist seine Möglichkeiten noch durch dezenten Einsatz vorbereiteter Loops, die er mittels eines Fusspedals auslöste.
Renaud Garcia-Fons ist musikalisch tief im mediterranen Kulturraum verwurzelt. Mal spielte er sein Instrument tief wie ein klassischer Kontrabass, dann wiederum schlug er auf die Saiten, so dass man glaubte, die arabische Kurzhalslaute Ud zu hören. Eingeschoben immer wieder Partien, wo der Musiker die Saiten mit dem Bogen strich und das Instrument gleich einer Viola da Gamba singen liess. Er schlug seinen Bass wie ein Flamenco-Gitarrist um wenig später Papier unter die Saiten zu schieben, so dass er wie das afrikanische Lamellenklavier Kalimba tönte. Dem Ideenreichtum und der spielerischen Souveränität dieses Ausnahmemusikers waren keine Grenzen gesetzt.
Am letzten Abend setzte die portugiesische Fado-Sängerin Ana Moura den Schlussstein des Jazzfestivals Basel 2014. Auch wenn Ana Moura mit ihrer Gesangskunst nicht ganz an die Meisterin des Fado Mariza heranreichte, die 2010 an der AVO-Session zu hören war, machte es Freude, ihr zuzuhören. Mit dunkler, modulationsfähiger Altstimme interpretierte die Sängerin mit reichhaltiger Stimmpalette vorwiegend Lieder ihrer letzten CD «Desfado» (2012). Warm wie ein Angoraschal umschloss die Begleitband die Stimme der Sängerin mit einem zart pulsenden Sound, während Angelo Freire mit seiner portugiesischen Gitarre den Gesang mit silbern perlenden Tonketten einhüllte.
Nur ein Schatten war zu verzeichnen, als die Sängerin auf Englisch zu singen begann, was für eingefleischte Fado-Aficionados im Publikum ein no go gewesen sein dürfte. Das war wohl eher ein psychologisches Problem, spielte die Band und sang Ana Moura auf gleiche Weise weiter wie vorher, nur eben die Sprach änderte sich. Und prompt wirkte die Musik unecht, wie nette, etwas banale Popmusik. Doch bald wechselte die Sängerin wieder zurück zum authentischen, runden portugiesischen Idiom ihrer schönen Heimat und die Welt war wieder in Ordnung.
Last but not least sei dem offbeat-Team rund um dessen künstlerischen Leiter Urs Blindenbach, das das Festival organisiert hat, ein grosses Kränzlein gewunden. Schon lange ist es her, dass das Team so viele neue Gesichter an das Festival geholt hat. Diese Blutauffrischung hat sehr gut getan und auf die Zuschauerzahlen scheint dies keinen negativen Einfluss gehabt zu haben. Bitte, bitte weiter so, dann wird dem Festival auch in Zukunft Erfolg beschieden sein und man muss nicht befürchten, dass dieser tolle Event irgendwann mal mangels Blutauffrischung wegen Inzucht absterben wird.